Wilms Leienad un drr Zijeuner

Wilms Leonard und der Zigeuner

Text Mundart

Text hochdeutsch

Mi Großvadder Wilms Leienad woar en de Myhl enne bekäende un good aanjesiene Minsch. Hea hau self enne schönne Burebedrief un min Omma Marieche fierde eh Geschäft met Wenkelswoar.
Mein Großvater Leonhard Wilms war in Myhl ein bekannter und gut angesehener Mann. Er selbst hatte einen schönen Landwirtschaftsbetrieb und meine Oma Mariechen führte ein gutgehendes Lebensmittel-Geschäft.
Leienad jing ett Sondesmorjens noa de Frömmes enns jäer dur dat Myhler Broock spazere. Sue och an enne Sondarmorje en drr Febbruar, et woar Wenkterdar un döchtig kooat.
Leonhard ging des Sonntagsmorgens nach der Frühmesse gerne mal durchs Myhler Bruch spazieren. So auch an einem Sonntagmorgen im Februar, es war Wintertag und bitter kalt.
Wie mi Großvadder nu sue dur dat Brook langs de Beek eraffjing, soach he von wittem all eh paar Triecherwarels doa stoan. Fröher säetese, doa stonje de Kärrkeslüh, hüt sett man dofür Zijeuner.
Als mein Großvater nun so durch das Bruch am Bach entlang spazierte, sah er von weitem auf dem freien Platz da unten mehrere Zigeunerwagen stehen. Damals sagte man, da stehen die Kerkesleute.
Wie Opa nu nöeder koam, däet er, owie doa stemmt doch jet neet. Doa koam enne jruete Minsch von die Triecher ut sonne Warel erut, un hau eh kleen Kindsche ob drr Aerm un dat woar Puddelnex. Leienad traude sinn Oohre net. Doe jing doch de Kärrkesminsch schnockut met dat
jrad gebore Kenk ob die Beek aan. Un ihe mi Großvadder nu be die twie woar, hau de Minsch dat nexe Kindsche all eh paarmol en die iskaue Beek jezoppt.
Als mein Opa nun näher kam, dachte er, da stimmt doch etwas nicht. Da kam ein großer Mann aus einem der Wagen heraus und hatte ein kleines Kindchen auf dem Arm, und das war splitternackt. Da ging doch der Kerl tatsächlich mit dem frisch geborenen Kind auf den Bach zu. Mein Großvater ging schneller, doch ehe er dabei war, hatte der Mann das nackte Kind schon ein paarmal in den eiskalten Bach gesteckt.
Leienad woar koat, „öm joddeswell“, säet er, „watt makkt irr donn doa, dat Kindsche stöerft öech joa.“ „Joa“, säet de Keal, „störft ett, ess ett neet äerch, stöerft ett ewer neet, wött ett enne jesonje kräeftije Minsch.“
Leonard war wütend, „um Gottes Willen“, sagte er, „was machen sie denn da, das Kind stirbt doch!“ „Ja, sagte der Mann, „stirbt’s, ist es nicht schlimm, stirbt es aber nicht, wird‘s ein gesunder, kräftiger Mensch!“

Text Mundart

Mi Großvadder Wilms Leienad woar en de Myhl enne bekäende un good aanjesiene Minsch. Hea hau self enne schönne Burebedrief un min Omma Marieche fierde eh Geschäft met Wenkelswoar.

Leienad jing ett Sondesmorjens noa de Frömmes enns jäer dur dat Myhler Broock spazere. Sue och an enne Sondarmorje en drr Febbruar, et woar Wenkterdar un döchtig kooat.

Wie mi Großvadder nu sue dur dat Brook langs de Beek eraffjing, soach he von wittem all eh paar Triecherwarels doa stoan. Fröher säetese, doa stonje de Kärrkeslüh, hüt sett man dofür Zijeuner.

Wie Opa nu nöeder koam, däet er, owie doa stemmt doch jet neet. Doa koam enne jruete Minsch von die Triecher ut sonne Warel erut, un hau eh kleen Kindsche ob drr Aerm un dat woar Puddelnex. Leienad traude sinn Oohre net. Doe jing doch de Kärrkesminsch schnockut met dat
jrad gebore Kenk ob die Beek aan. Un ihe mi Großvadder nu be die twie woar, hau de Minsch dat nexe Kindsche all eh paarmol en die iskaue Beek jezoppt.

Leienad woar koat, „öm joddeswell“, säet er, „watt makkt irr donn doa, dat Kindsche stöerft öech joa.“ „Joa“, säet de Keal, „störft ett, ess ett neet äerch, stöerft ett ewer neet, wött ett enne jesonje kräeftije Minsch.“

Text hochdeutsch

Mein Großvater Leonhard Wilms war in Myhl ein bekannter und gut angesehener Mann. Er selbst hatte einen schönen Landwirtschaftsbetrieb und meine Oma Mariechen führte ein gutgehendes Lebensmittel-Geschäft.

Leonhard ging des Sonntagsmorgens nach der Frühmesse gerne mal durchs Myhler Bruch spazieren. So auch an einem Sonntagmorgen im Februar, es war Wintertag und bitter kalt.

Als mein Großvater nun so durch das Bruch am Bach entlang spazierte, sah er von weitem auf dem freien Platz da unten mehrere Zigeunerwagen stehen. Damals sagte man, da stehen die Kerkesleute.

Als mein Opa nun näher kam, dachte er, da stimmt doch etwas nicht. Da kam ein großer Mann aus einem der Wagen heraus und hatte ein kleines Kindchen auf dem Arm, und das war splitternackt. Da ging doch der Kerl tatsächlich mit dem frisch geborenen Kind auf den Bach zu. Mein Großvater ging schneller, doch ehe er dabei war, hatte der Mann das nackte Kind schon ein paarmal in den eiskalten Bach gesteckt.

Leonard war wütend, „um Gottes Willen“, sagte er, „was machen sie denn da, das Kind stirbt doch!“ „Ja, sagte der Mann, „stirbt’s, ist es nicht schlimm, stirbt es aber nicht, wird‘s ein gesunder, kräftiger Mensch!“

Schon gewusst?

Früher waren die Zigeuner mit zweirädrigen Hand- oder Hunde-Karren unterwegs, um ihre Dienste als Hausierer, Kesselreparateur oder Scherenschleifer u.ä. anzubieten.  Auf Hand- oder Hundekarren mit einer Achse deutet die niederrheinische Verniedlichungsform “Kärrken” hin, von “Kärrchen” als kleine Karre.

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Über den Autor

Leo Wilms

aus Myhl

Heimatfreunde können ihre Herkunft ganz schlecht verleugnen. Leo Wilms, der gebürtige und bekennende Myhler zog als Erwachsener mit seiner Familie des Hauses wegen nach Wildenrath, also ganz nah bei. Das heimatliche Platt zu sprechen, war für den 1937 Geborenen selbstverständlich in Elternhaus und Myhler Umfeld. Naturgemäß heute noch. Vater Casper erzählte schon lustige Geschichten, Onkel Paul stand da nicht nach. Er animierte Leo, Geschichten zu formulieren und vorzutragen. So ist Neffe Leo seit langem nicht nur beim Wassenberger Plattdütschoavend wie Bruder Bruno ein Urgestein. Und gesungen wird im Myhler Quartettverein.

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Mein Großvater Leonhard Wilms war in Myhl ein bekannter und gut angesehener Mann. Er selbst hatte einen schönen Landwirtschaftsbetrieb und meine Oma Mariechen führte ein gutgehendes Lebensmittel-Geschäft.

Leonhard ging des Sonntagsmorgens nach der Frühmesse gerne mal durchs Myhler Bruch spazieren. So auch an einem Sonntagmorgen im Februar, es war Wintertag und bitter kalt.

Als mein Großvater nun so durch das Bruch am Bach entlang spazierte, sah er von weitem auf dem freien Platz da unten mehrere Zigeunerwagen stehen. Damals sagte man, da stehen die Kerkesleute.

Als mein Opa nun näher kam, dachte er, da stimmt doch etwas nicht. Da kam ein großer Mann aus einem der Wagen heraus und hatte ein kleines Kindchen auf dem Arm, und das war splitternackt. Da ging doch der Kerl tatsächlich mit dem frisch geborenen Kind auf den Bach zu. Mein Großvater ging schneller, doch ehe er dabei war, hatte der Mann das nackte Kind schon ein paarmal in den eiskalten Bach gesteckt.

Leonard war wütend, „um Gottes Willen“, sagte er, „was machen sie denn da, das Kind stirbt doch!“ „Ja, sagte der Mann, „stirbt’s, ist es nicht schlimm, stirbt es aber nicht, wird‘s ein gesunder, kräftiger Mensch!“

Mi Großvadder Wilms Leienad woar en de Myhl enne bekäende un good aanjesiene Minsch. Hea hau self enne schönne Burebedrief un min Omma Marieche fierde eh Geschäft met Wenkelswoar.

Leienad jing ett Sondesmorjens noa de Frömmes enns jäer dur dat Myhler Broock spazere. Sue och an enne Sondarmorje en drr Febbruar, et woar Wenkterdar un döchtig kooat.

Wie mi Großvadder nu sue dur dat Brook langs de Beek eraffjing, soach he von wittem all eh paar Triecherwarels doa stoan. Fröher säetese, doa stonje de Kärrkeslüh, hüt sett man dofür Zijeuner.

Wie Opa nu nöeder koam, däet er, owie doa stemmt doch jet neet. Doa koam enne jruete Minsch von die Triecher ut sonne Warel erut, un hau eh kleen Kindsche ob drr Aerm un dat woar Puddelnex. Leienad traude sinn Oohre net. Doe jing doch de Kärrkesminsch schnockut met dat
jrad gebore Kenk ob die Beek aan. Un ihe mi Großvadder nu be die twie woar, hau de Minsch dat nexe Kindsche all eh paarmol en die iskaue Beek jezoppt.

Leienad woar koat, „öm joddeswell“, säet er, „watt makkt irr donn doa, dat Kindsche stöerft öech joa.“ „Joa“, säet de Keal, „störft ett, ess ett neet äerch, stöerft ett ewer neet, wött ett enne jesonje kräeftije Minsch.“

Leo Wilms

Heimatfreunde können ihre Herkunft ganz schlecht verleugnen. Leo Wilms, der gebürtige und bekennende Myhler zog als Erwachsener mit seiner Familie des Hauses wegen nach Wildenrath, also ganz nah bei. Das heimatliche Platt zu sprechen, war für den 1937 Geborenen selbstverständlich in Elternhaus und Myhler Umfeld. Naturgemäß heute noch. Vater Casper erzählte schon lustige Geschichten, Onkel Paul stand da nicht nach. Er animierte Leo, Geschichten zu formulieren und vorzutragen. So ist Neffe Leo seit langem nicht nur beim Wassenberger Plattdütschoavend wie Bruder Bruno ein Urgestein. Und gesungen wird im Myhler Quartettverein.

Quelle:





Wilms Leienad un drr Zijeuner

Mein Großvater Leonhard Wilms war in Myhl ein bekannter und gut angesehener Mann. Er selbst hatte einen schönen Landwirtschaftsbetrieb und meine Oma Mariechen führte ein gutgehendes Lebensmittel-Geschäft.
Mi Großvadder Wilms Leienad woar en de Myhl enne bekäende un good aanjesiene Minsch. Hea hau self enne schönne Burebedrief un min Omma Marieche fierde eh Geschäft met Wenkelswoar.
Leonhard ging des Sonntagsmorgens nach der Frühmesse gerne mal durchs Myhler Bruch spazieren. So auch an einem Sonntagmorgen im Februar, es war Wintertag und bitter kalt.
Leienad jing ett Sondesmorjens noa de Frömmes enns jäer dur dat Myhler Broock spazere. Sue och an enne Sondarmorje en drr Febbruar, et woar Wenkterdar un döchtig kooat.
Als mein Großvater nun so durch das Bruch am Bach entlang spazierte, sah er von weitem auf dem freien Platz da unten mehrere Zigeunerwagen stehen. Damals sagte man, da stehen die Kerkesleute.
Wie mi Großvadder nu sue dur dat Brook langs de Beek eraffjing, soach he von wittem all eh paar Triecherwarels doa stoan. Fröher säetese, doa stonje de Kärrkeslüh, hüt sett man dofür Zijeuner.
Als mein Opa nun näher kam, dachte er, da stimmt doch etwas nicht. Da kam ein großer Mann aus einem der Wagen heraus und hatte ein kleines Kindchen auf dem Arm, und das war splitternackt. Da ging doch der Kerl tatsächlich mit dem frisch geborenen Kind auf den Bach zu. Mein Großvater ging schneller, doch ehe er dabei war, hatte der Mann das nackte Kind schon ein paarmal in den eiskalten Bach gesteckt.
Wie Opa nu nöeder koam, däet er, owie doa stemmt doch jet neet. Doa koam enne jruete Minsch von die Triecher ut sonne Warel erut, un hau eh kleen Kindsche ob drr Aerm un dat woar Puddelnex. Leienad traude sinn Oohre net. Doe jing doch de Kärrkesminsch schnockut met dat
jrad gebore Kenk ob die Beek aan. Un ihe mi Großvadder nu be die twie woar, hau de Minsch dat nexe Kindsche all eh paarmol en die iskaue Beek jezoppt.
Leonard war wütend, „um Gottes Willen“, sagte er, „was machen sie denn da, das Kind stirbt doch!“ „Ja, sagte der Mann, „stirbt’s, ist es nicht schlimm, stirbt es aber nicht, wird‘s ein gesunder, kräftiger Mensch!“
Leienad woar koat, „öm joddeswell“, säet er, „watt makkt irr donn doa, dat Kindsche stöerft öech joa.“ „Joa“, säet de Keal, „störft ett, ess ett neet äerch, stöerft ett ewer neet, wött ett enne jesonje kräeftije Minsch.“
Leo Wilms

Heimatfreunde können ihre Herkunft ganz schlecht verleugnen. Leo Wilms, der gebürtige und bekennende Myhler zog als Erwachsener mit seiner Familie des Hauses wegen nach Wildenrath, also ganz nah bei. Das heimatliche Platt zu sprechen, war für den 1937 Geborenen selbstverständlich in Elternhaus und Myhler Umfeld. Naturgemäß heute noch. Vater Casper erzählte schon lustige Geschichten, Onkel Paul stand da nicht nach. Er animierte Leo, Geschichten zu formulieren und vorzutragen. So ist Neffe Leo seit langem nicht nur beim Wassenberger Plattdütschoavend wie Bruder Bruno ein Urgestein. Und gesungen wird im Myhler Quartettverein.

Quelle:




Wilms Leienad un drr Zijeuner

Ein Mundart Beitrags aus: Wassenberger-Riedelland-Platt

Wilms Leonard und der Zigeuner

Wilms Leienad un drr Zijeuner

verfasst von: Leo Wilms
vorgetragen von:

Mein Großvater Leonhard Wilms war in Myhl ein bekannter und gut angesehener Mann. Er selbst hatte einen schönen Landwirtschaftsbetrieb und meine Oma Mariechen führte ein gutgehendes Lebensmittel-Geschäft.

Leonhard ging des Sonntagsmorgens nach der Frühmesse gerne mal durchs Myhler Bruch spazieren. So auch an einem Sonntagmorgen im Februar, es war Wintertag und bitter kalt.

Als mein Großvater nun so durch das Bruch am Bach entlang spazierte, sah er von weitem auf dem freien Platz da unten mehrere Zigeunerwagen stehen. Damals sagte man, da stehen die Kerkesleute.

Als mein Opa nun näher kam, dachte er, da stimmt doch etwas nicht. Da kam ein großer Mann aus einem der Wagen heraus und hatte ein kleines Kindchen auf dem Arm, und das war splitternackt. Da ging doch der Kerl tatsächlich mit dem frisch geborenen Kind auf den Bach zu. Mein Großvater ging schneller, doch ehe er dabei war, hatte der Mann das nackte Kind schon ein paarmal in den eiskalten Bach gesteckt.

Leonard war wütend, „um Gottes Willen“, sagte er, „was machen sie denn da, das Kind stirbt doch!“ „Ja, sagte der Mann, „stirbt’s, ist es nicht schlimm, stirbt es aber nicht, wird‘s ein gesunder, kräftiger Mensch!“

Mi Großvadder Wilms Leienad woar en de Myhl enne bekäende un good aanjesiene Minsch. Hea hau self enne schönne Burebedrief un min Omma Marieche fierde eh Geschäft met Wenkelswoar.

Leienad jing ett Sondesmorjens noa de Frömmes enns jäer dur dat Myhler Broock spazere. Sue och an enne Sondarmorje en drr Febbruar, et woar Wenkterdar un döchtig kooat.

Wie mi Großvadder nu sue dur dat Brook langs de Beek eraffjing, soach he von wittem all eh paar Triecherwarels doa stoan. Fröher säetese, doa stonje de Kärrkeslüh, hüt sett man dofür Zijeuner.

Wie Opa nu nöeder koam, däet er, owie doa stemmt doch jet neet. Doa koam enne jruete Minsch von die Triecher ut sonne Warel erut, un hau eh kleen Kindsche ob drr Aerm un dat woar Puddelnex. Leienad traude sinn Oohre net. Doe jing doch de Kärrkesminsch schnockut met dat
jrad gebore Kenk ob die Beek aan. Un ihe mi Großvadder nu be die twie woar, hau de Minsch dat nexe Kindsche all eh paarmol en die iskaue Beek jezoppt.

Leienad woar koat, „öm joddeswell“, säet er, „watt makkt irr donn doa, dat Kindsche stöerft öech joa.“ „Joa“, säet de Keal, „störft ett, ess ett neet äerch, stöerft ett ewer neet, wött ett enne jesonje kräeftije Minsch.“

Leo Wilms

Heimatfreunde können ihre Herkunft ganz schlecht verleugnen. Leo Wilms, der gebürtige und bekennende Myhler zog als Erwachsener mit seiner Familie des Hauses wegen nach Wildenrath, also ganz nah bei. Das heimatliche Platt zu sprechen, war für den 1937 Geborenen selbstverständlich in Elternhaus und Myhler Umfeld. Naturgemäß heute noch. Vater Casper erzählte schon lustige Geschichten, Onkel Paul stand da nicht nach. Er animierte Leo, Geschichten zu formulieren und vorzutragen. So ist Neffe Leo seit langem nicht nur beim Wassenberger Plattdütschoavend wie Bruder Bruno ein Urgestein. Und gesungen wird im Myhler Quartettverein.

Quelle:





Wilms Leienad un drr Zijeuner

Mein Großvater Leonhard Wilms war in Myhl ein bekannter und gut angesehener Mann. Er selbst hatte einen schönen Landwirtschaftsbetrieb und meine Oma Mariechen führte ein gutgehendes Lebensmittel-Geschäft.
Mi Großvadder Wilms Leienad woar en de Myhl enne bekäende un good aanjesiene Minsch. Hea hau self enne schönne Burebedrief un min Omma Marieche fierde eh Geschäft met Wenkelswoar.
Leonhard ging des Sonntagsmorgens nach der Frühmesse gerne mal durchs Myhler Bruch spazieren. So auch an einem Sonntagmorgen im Februar, es war Wintertag und bitter kalt.
Leienad jing ett Sondesmorjens noa de Frömmes enns jäer dur dat Myhler Broock spazere. Sue och an enne Sondarmorje en drr Febbruar, et woar Wenkterdar un döchtig kooat.
Als mein Großvater nun so durch das Bruch am Bach entlang spazierte, sah er von weitem auf dem freien Platz da unten mehrere Zigeunerwagen stehen. Damals sagte man, da stehen die Kerkesleute.
Wie mi Großvadder nu sue dur dat Brook langs de Beek eraffjing, soach he von wittem all eh paar Triecherwarels doa stoan. Fröher säetese, doa stonje de Kärrkeslüh, hüt sett man dofür Zijeuner.
Als mein Opa nun näher kam, dachte er, da stimmt doch etwas nicht. Da kam ein großer Mann aus einem der Wagen heraus und hatte ein kleines Kindchen auf dem Arm, und das war splitternackt. Da ging doch der Kerl tatsächlich mit dem frisch geborenen Kind auf den Bach zu. Mein Großvater ging schneller, doch ehe er dabei war, hatte der Mann das nackte Kind schon ein paarmal in den eiskalten Bach gesteckt.
Wie Opa nu nöeder koam, däet er, owie doa stemmt doch jet neet. Doa koam enne jruete Minsch von die Triecher ut sonne Warel erut, un hau eh kleen Kindsche ob drr Aerm un dat woar Puddelnex. Leienad traude sinn Oohre net. Doe jing doch de Kärrkesminsch schnockut met dat
jrad gebore Kenk ob die Beek aan. Un ihe mi Großvadder nu be die twie woar, hau de Minsch dat nexe Kindsche all eh paarmol en die iskaue Beek jezoppt.
Leonard war wütend, „um Gottes Willen“, sagte er, „was machen sie denn da, das Kind stirbt doch!“ „Ja, sagte der Mann, „stirbt’s, ist es nicht schlimm, stirbt es aber nicht, wird‘s ein gesunder, kräftiger Mensch!“
Leienad woar koat, „öm joddeswell“, säet er, „watt makkt irr donn doa, dat Kindsche stöerft öech joa.“ „Joa“, säet de Keal, „störft ett, ess ett neet äerch, stöerft ett ewer neet, wött ett enne jesonje kräeftije Minsch.“
Leo Wilms

Heimatfreunde können ihre Herkunft ganz schlecht verleugnen. Leo Wilms, der gebürtige und bekennende Myhler zog als Erwachsener mit seiner Familie des Hauses wegen nach Wildenrath, also ganz nah bei. Das heimatliche Platt zu sprechen, war für den 1937 Geborenen selbstverständlich in Elternhaus und Myhler Umfeld. Naturgemäß heute noch. Vater Casper erzählte schon lustige Geschichten, Onkel Paul stand da nicht nach. Er animierte Leo, Geschichten zu formulieren und vorzutragen. So ist Neffe Leo seit langem nicht nur beim Wassenberger Plattdütschoavend wie Bruder Bruno ein Urgestein. Und gesungen wird im Myhler Quartettverein.

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