Wie ein Atlas die heimische Mundart konserviert

Ein Bericht von der Rheinischen Post Online
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Zweifellos ist es wohl die letzte große Aktivität, die dazu führen soll, die regionale Mundart zu konservieren, sie für die Nachwelt zu erhalten. Abgesehen sicherlich von Aktionen wie Mundartabenden, die heute noch sehr gut besucht sind, wenn auch in der Regel nur von der älteren Generation.

Die Dimension des Anlasses unterstrich jedenfalls der Besuch von Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen – sie kam aus Düsseldorf nach Heinsberg-Schafhausen, oder besser: Schoppese, um den Mundart-Atlas der Heimat- und Kulturvereine im Kreis Heinsberg online an den Start zu bringen. Das Werk kennzeichnet die Vielfalt „op Platt“ im gesamten Kreisgebiet.

„Platt hat viel mit Heimat und Identifikation zu tun. Heimat lebt von dem, was wir Menschen daraus machen. Mit dem Mundart-Atlas ist etwas entstanden, wo sich so gut Tradition und Moderne miteinander verbinden lassen“, sagte Ina Scharrenbach. Sie würdigte das Engagement der beteiligten Akteure, dabei sagte sie aber auch, darauf zu hoffen, mehr solcher Ideen kennenlernen zu dürfen. Als Kennerin des westfälischen Platts merkte sie an: „Platt zu sprechen, ist schon mit einer besonderen Kompetenz verbunden.“

Von der Sache von Anfang an begeistert war auch Landrat Stephan Pusch, der sagte: „Dieses Werk ist ein lebendiges Zeugnis unserer regionalen Kultur und Identität und das Ergebnis jahrelanger und intensiver Arbeit.“ Der Atlas, so sprach Pusch weiter, sei als „Appetithäppchen“ gedacht und solle das Interesse am Plattdeutschen wecken. Damit spielte er auch auf die junge Generation an, die die Chance bekommen solle, die heimische Mundart zu verstehen und weiterzugeben an folgende Generationen.

Was Stephan Pusch darüber hinaus herausstellte: „Es ist eine Besonderheit des Werks, dass es die Darstellung des Plattdeutschen herunterbricht bis auf einzelne Ortschaften im Kreis Heinsberg. So trägt der Atlas der besonderen Vielfalt unserer Muttersprache Rechnung.“

Und tatsächlich: Mit Blick auf den Projekttitel „Mundart-Atlas von der Schwalm und Rur bis zur Maas“ legten die Verantwortlichen sieben Dialektzonen im Kreis Heinsberg fest. Landrat Pusch: „Meine große Hoffnung ist es, dass es gelingt, die Menschen mit Texten, Bildern und Grafiken sowie in der Online-Version mit zusätzlichen interaktiven Elementen für unsere Mundart zu begeistern, damit sie eine Zukunft hat.“ Für Pusch ist der Altas „ein Schatz, der die sprachliche und kulturelle Vielfalt unserer Region bewahrt. Er ist ein Zeugnis der Identität und des Erbes unserer Heimat“. Pusch dankte den Akteuren, die mit viel Detailarbeit für die Umsetzung gesorgt haben.

Zu diesen Akteuren zählen übrigens Koordinator Hans-Josef Heuter aus „Schoppese“, Willi Spichartz aus Hückelhoven und Josef Klaßen aus Gangelt-Langbroich sowie Hans Nijs aus Geilenkirchen. Fachlich begleitet haben das Projekt Professorin Claudia Wich-Reif vom Institut für Germanistik der Universität Bonn und Charlotte Rhein vom Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte beim Landschaftsverband Rheinland.

Ausführlich beschrieb Willi Spichartz das Projekt. Er erläuterte, wie sich im Prozessverlauf die sieben Regionen entwickelt haben, in denen die Plattvarietäten sich zwar ähnlich zeigen, gleichzeitig aber den Unterschied zwischen dem Selfkant im Westen oder Erkelenz im Osten beziehungsweise im Norden und Süden des Kreises Heinsberg sehr deutlich machen.

Dank einer ausführlichen Online-Version des Werks ergeben sich viele Nutzungsmöglichkeiten. „Vor allem aber die Schulen können die aus dem Altfränkischen stammende hiesige Mundart anbieten, selbst wenn es im Gegensatz zu vorherigen Jahrzehnten keine Platt sprechende Lehrkraft mehr gibt“, sagte Spichartz.

Weshalb Ministerin Ina Scharrenbach außerdem in Schafhausen zu Gast war: Das Land Nordrhein-Westfalen hat das Projekt rund um den Mundart-Atlas mit 137.000 Euro gefördert. Sie zeigte sich überzeugt davon, dass mit dem Atlas ein ziemlich einmaliges Projekt geschaffen wurde, das Sprachaufbau, Satzbau und Sprachrhythmus in allen Texten wahrt.

Wie sehr Sprache dem Wandel unterworfen ist, merkte Professorin Claudia Wich-Reif in ihrem Grußwort an. Ein Dialekt sei Teil unserer Geschichte, sagte sie. Und: „Er war da, als es Hochdeutsch als Standardsprache, das wir spätestens mit Schuleintritt als Schriftsprache lernen, noch nicht gab.“ Sie unterstrich, dass sich die Standardsprache aus den Dialekten entwickelt habe, nicht umgekehrt.

Letztlich besonders gerührt von den Momenten zeigte sich Projektkoordinator Hans-Josef Heuter, der an mehreren Stellen der Feierstunde mit den Tränen kämpfte. Mit Freude verwies er auf Akteure wie Manni Müchen, der mit seiner Gitarre das Lied „Oss Platt datt ess bekangkt“ präsentierte, im weiteren Verlauf trug Annaliese von den Driesch ihr Gedicht „Mensch on Beäk“ vor.

Für die technische Umsetzung sorgte die Werbeagentur Minkenberg. Der Mundart-Atlas ist online unter www.mundartatlas.de. zu finden.

Foto: NRW-Ministerin Ina Scharrenbach, Landrat Stephan Pusch (r.) sowie Willi Spichartz (l.) und Hans-Josef Heuter brachten die Website an den Start. ⇥ Foto: Anke Backhaus© Anke Backhaus

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