Mundart-Atlas der Heimat- und Kulturvereine im Kreis Heinsberg – ein Mehrwert für Jung und Alt

„Die Geschichte eines Hauses ist die Geschichte seiner Bewohner, die Geschichte seiner Bewohner ist die Geschichte der Zeit, in welcher sie lebten und leben, die Geschichte der Zeiten ist die Geschichte der Menschheit.“ – Wilhelm Raabe (1831 – 1910)
Der Mundart-Atlas „Von Schwalm und Rur bis an die Maas“ beschreibt die Vielfalt des „Südfränkischen“ oder auch „Rheinfränkischen“-Plattdeutschen zwischen den drei Flüssen in der Region und im Lebensraum des Kreises Heinsberg. Dokumentiert in Texten und Videos werden die lokalen Sprach-Unterschiede als eigenständige Dialekte präsentiert. Wer die Texte in Form von Gedichten, Liedern und Erzählungen liest oder im Videobeitrag der Vortragenden sehend und hörend nachvollzieht, begleitet das Alltagsleben der Menschen mit ihren Erfahrungen von Glück, Trauer und Freude. Zugleich wird ein Stück Geschichte lebendig, die sich in der jeweiligen Mundart widerspiegelt.
In verschiedenen Heimatvereinen im Kreis Heinsberg waren und sind Mundart- oder Plattdeutschabende ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit. Ein Angebot, das beliebt ist und vor allem von der älteren Generation bis heute angenommen wird. Eine gemeinsame Erfahrung der Kultur- und Heimatvereine war allerdings, dass die jeweiligen Dialekte und Mundarten von den nachkommenden Generationen oft nicht mehr aktiv genutzt werden. Vereinzelte Ansätze, den Schulen die Mundart-Texte zur Verfügung zu stellen und Anregungen zu bieten, Mundart und Dialekte in Arbeitsgemeinschaften einzubinden, ließen die Ideen zur Umsetzung in einer kreisweiten Konferenz unter Leitung des Landrates Stephan Pusch münden. Dort stellte der Geschäftsführer des Heimatvereins Schafhausen/Heinsberg, Hans-Josef Heuter, den Plan vor, die verschiedenen lokalen Mundarten zu erfassen und zu dokumentieren und diese Ergebnisse online zur Verfügung zu stellen.
Mit der Bildung einer Arbeitsgemeinschaft unter Leitung von Hans-Josef Heuter (Heinsberg) und Willi Spichartz (Hückelhoven) sowie unter Mitarbeit der Vertreter der Kultur- und Heimatvereine im Kreis Heinsberg startete das Projekt Mundart-Atlas „Von Schwalm und Rur bis an die Maas“. Gefördert durch das NRW-Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung und wissenschaftlich begleitet vom Institut für Germanistik der Uni Bonn (Frau Dr. Prof. Wich-Reif) und dem LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte (Frau Dr. Rein) konnte der Mundart-Atlas der Heimat- und Kulturvereine im Kreis Heinsberg nach zwei Jahren der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden.
Unter der Internetadresse stehen die Printversion sowie die Online-Version mit ihren Ergebnissen zur Verfügung.
Mit dem Mundart-Atlas gibt es einen Mehrwert für Jung und Alt, der sie den Begriff Heimat fassbarer erleben lässt, von dem Ernst Bloch einst in seinem Werk „Prinzip Hoffnung“ formulierte:
„Die Wurzel der Geschichte aber ist der arbeitende, schaffende, die Gegebenheiten umbildende und überholende Mensch. Hat er sich erfasst und das Seine ohne Entäußerung und Entfremdung in realer Demokratie begründet, so entsteht in der Welt etwas, das allen in die Kindheit scheint und worin der erwachsene Mensch lange nicht mehr war: Heimat.“ ( Ernst Bloch – Prinzip Hoffnung)
Und im Sprachgebrauch der Mundarten spiegeln sich unmittelbar und direkt die Erfahrungen und die Lebenswelt der sie sprechenden Menschen wider. Heiterkeit und Humor, im Dialekt gesprochen, ist nur zu verstehen, wer den jeweiligen Dialekt versteht und sprechen kann. Ansonsten bleibt ein Witz, im Dialekt erzählt, nicht selten unverstanden. Und wer will schon nicht mitlachen bei einem erzählten Witz? Zukunft braucht Herkunft – eine Erkenntnis, die der Philosoph Odo Marquard zu Recht betonte.
„Die neue Welt kann nicht sein ohne die alten Fertigkeiten. Menschlichkeit ohne Modernität ist lahm. Modernität ohne Menschlichkeit ist kalt. Modernität baucht Menschlichkeit, denn Zukunft braucht Herkunft.“ – Odo Marquard
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